Michael Smolenicky
Architekt ETH
Almastrasse 16
8708 Männedorf
Visana
Umbau 1





Neugestaltung des Erdgeschosses des Hauptsitzes der Krankenkasse Visana, Weltpoststrasse 19 + 21 in Bern
Das Bürogebäude der Visana stammt aus den 70er Jahren. Die Skelettbauweise und die blaue Metallfassade weisen es als einen typischen Vertreter seiner Zeit aus. Die Umgebung ist im Norden durch die unmittelbare Lage zur Autobahn bestimmt. Auf der Hauptzugangsseite im Süden trennt ein eingeschossiger Vorbau und ein Grünstreifen das Gebäude von einer grossen, im Bezug zum Erdgeschoss tiefer gelegenen Parkplatzanlage, die sich über die gesamte Breite des Baus erstreckt. Die fehlende Qualität des Aussenraums im Sinne einer grosszügigen räumlichen Entsprechung zum Gebäude ist augenfällig.
Im Erdgeschoss befinden sich Räume mit verschiedenen Funktionen: die Eingangs- und Empfangshalle, Erschliessungsbereiche, das Personalrestaurant mit Cafeteria und Küche, Logistik-Räume sowie Büros, Ausbildungs- und Besprechungsräume.
Das Konzept für die Neugestaltung geht aus von dem der verglasten Frontseite des Vorbaus vorgelagerten, relativ schmalen Grünstreifen. Die Transparenz des Glases wird zum Medium der Bewegung zwischen Innen und Aussen und somit zum Mittel, das "Stück Natur" in einem der Gebäudetypologie entsprechenden "fliessenden Raum" mehrfach weiterzuführen.
Die Realisation erforderte eine klare Aufgliederung der Bereiche Arbeit, Logistik und Aufenthalt in der Längsrichtung des Gebäudes. Eine durchgehende, weisse Wand, deren Präsenz durch ein ebenfalls durchgehendes Lichtband erhöht wird, unterstreicht parallel zur Verwendung unterschiedlicher Materialien die Trennung der beiden Zonen Arbeit und Aufenthalt. Die Logistik- und Stauräume sowie die beiden Eingänge innerhalb des Bereichs Aufenthalt im Vorbau wurden durch Holzverkleidung zu einer eigenständigen Raumgruppe zusammengefasst und als solche hervorgehoben: Sie stehen gleichsam als kubische "Behälter" (in denen sich Teile des Haustechnik, wie Telefonie, Küche usw. befinden) mit sehr unterschiedlichen Volumina im Raum. Zwei von ihnen durchdringen die Fassade und schaffen als Passagen einen konkreten Austausch von Innen und Aussen.
Bilden alle sieben Holzkuben mittels ihrer Materilität und lockeren Verteilung im Raum bereits eine Analogie zur Bepflanzung, so wurde durch die Hochglanzlackierung ihrer zur Fensterfront gewandten Seitenwände ein starker Spiegelungseffekt auf den Holzflächen erreicht: die Bäume und Sträucher draussen erscheinen als Abbild auch im Innern, wobei diese wiederum von der Innenseite der Glasscheiben reflektiert wird. Zugleich werden die zunächst skulptural statisch wirkenden Holzelemente ihrerseits durch das stets bewegte Spiegelbild (und unterstützt von ihrer schon prägnanten Maserung) stark dynamisiert.
Die Spiegelung überlagert und vermischt Bilder, Strukturen und Bewegungen und verwickelt den Betrachter selbst in das Sichtbare. Sie bewirkt ein mehrfaches Ineinandergreifen von Innen und Aussen, eine Erweiterung des Innenraumes durch den gespiegelten perspektivischen Tiefenraum auf den lackierten Flächen.
Das Aussen und Innen ist voneinander unterschieden, nicht aber einander entgegengesetzt. Die verarbeiteten Naturmaterialien Holz und Stein oder die floralen Formen der farbintensiven, roten Sessel (auch mit anderen Einrichtungsgegenständen wird die Analogie weitergeführt) können und wollen nicht über ihre eigentliche "Natur" hinwegtäuschen, doch mittels ihres Zeichencharakters auf die Natur verweisen, die auf der Ebene der Spiegelung und Raumstruktur integriert wird.
Die Neugestaltung des Erdgeschosses stellt sich dar als eine Interpretation der Raumkonzeption der Moderne. Sie zeichnet sich aus durch Einfachheit und Komplexität sowie Körperhaftigkeit und Immaterialität. Mit einfachen und präzisen Massnahmen wurde eine Vielfalt von spannungsvollen Bezügen und eine Offenheit erreicht, die sich einer Fixierung entzieht.